Correctiv-Recherche belegt Überlastung von Frauenhäusern

An durchschnittlich 303 Tagen des vergangenen Jahres konnten Frauenhäuser in Deutschland keine Frauen und Kinder mehr aufnehmen. Freie Plätze waren oft nach wenigen Stunden wieder besetzt.

Karte zum Belegungsstatus der Frauenhäuser in Deutschland, Quelle: Correctiv.org

Ein Jahr lang – vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2022 – wertete das journalistische Netzwerrk Correctiv.org täglich die Belegungsdaten von 200 Frauenhäusern aus 13 Bundesländern aus. Das Ergebnis: An durchschnittlich 303 Tagen des Jahres meldeten die ausgewerteten Frauenhäuser, dass keine Aufnahme möglich war. Das entspricht einer Belegungsquote von 83 Prozent. Freie Plätze waren oft binnen weniger Stunden wieder besetzt. Die detaillierten und anschaulichen Rechercheergebnisse sind unter https://correctiv.org/aktuelles/2023/03/06/haeusliche-gewalt-frauenhaus-platz-finden/ zugänglich.

Zentrale Ergebnisse: Erhebliche Schutzlücken durch Platzmangel und Überlastung

Deutlich belegen die Rechercheergebnisse von Correctiv, wie gravierend sich der Mangel an ausreichend Frauenhausplätzen auf die Suche nach Schutz auswirkt: Deutschlandweit fehlen – gemessen an den Anforderungen der in Deutschland rechtsgültigen Istanbul-Konvention – über 14.000 Frauenhausplätze. Die vorhandenen Frauenhäuser sind laut der Untersuchung von Correctiv durchschnittlich zu 83 Prozent, d.h. an 303 Tagen im Jahr, voll belegt sind und können keine Frauen mehr aufnehmen.

Besonders schlecht war die Lage im vergangenen Jahr in Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig Holstein. Frauenhäuser in diesen Bundesländern waren durchschnittlich zu 90 Prozent belegt. Viele Einrichtungen und Mitarbeitende arbeiten fast durchgängig an der Belastungsgrenze.

Für Schutzsuchende Frauen bedeutet das, dass an einigen Tagen in Jahr deutschlandweit keine Schutzplätze für sie erreichbar sind – oder bestenfalls mehrere hundert Kilometer entfernt. Überdies sinkt die Zahl der verfügbaren Plätze weiter drastisch, wenn zusätzliche Bedarfe – z.B. Platz für die Kinder oder Barrierefreiheit – erfüllt sein müssen. Dass Frauen mindestens ein Kind mit ins Frauenhaus bringen, ist jedoch der Regelfall.

Methodik: So funktioniert die Erfassung

Seit November 2021 können Schutzeinrichtungen für Frauen in der „Frauenhaus-Suche“ der ZIF angeben, ob freie Plätze zur Verfügung stehen. Schutzsuchenden und Unterstützer*innen soll damit die Suche nach freien Frauenhausplätzen in Deutschland erleichtert werden. 336 Frauenhäuser und Schutzwohnungen der etwa 400 Einrichtungen in Deutschland sind in der Datenbank verzeichnet.

Anhand dieser öffentlichen Übersicht wertere das Correctiv.org. vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2022 dreimal täglich die Belegungsdaten all jener verzeichneten Frauenhäuser aus,die im ganzen Jahr 2022 und mindestens 80 Prozent der Zeit ihren Belegungsstatus in der Frauenhaussuche gemeldet haben. Diese Kriterien erfülten 200 Frauenhäuser, die Basis der Datenanalyse bilden. Da in Berlin, Hamburg und Bremen kein Frauenhaus diese Voraussetzungen erfüllte, sind Frauenhäuser aus 13 Bundesländern erfasst.

Bereits 2021 hatte Correctiv.org eine ausführliche Recherche zur Auslastung der deutschen Frauenhäuser während der Pandemie veröffentlicht (abrufbar hier).